Im Kundalini Yoga nach Yogi Bhajan findet eine verbale Haltungskorrektur statt. Anders als in anderen Yoga-Traditionen geht der Lehrer nicht herum, um evtl. Fehlhaltungen durch Berührungen zu korrigieren. Hilfsmittel wie Yogablöcke oder -Bänder werden normalerweise nicht benutzt.
Der Energiefluss des Yoga-Übenden soll nicht gestört werden. Das eigene Spüren wird wichtiger genommen als die korrekte Haltung.
Eine exakte Haltung erhöht die Wirkung einer Yogaübung. Aus unterschiedlichen Gründen ist es den Yoga-Übenden aber oft nicht möglich, in die perfekte Haltung zu gehen.
- Körperliche Limitierungen (z.b. verkürzte Bänder) lassen eine exakte Haltung oft nicht zu.
- Die unterschiedliche körperliche Konstitution empfiehlt einen differenzierten Umgang mit einzelnen Haltungen. Z.B. kann die Armhaltung bei der Sat Kriya je nach Thema und Ausrichtung der eigenen Blockaden unterschiedlich sein.
- Hilfestellungen bewirken zwar evtl. eine korrekte Ausrichtung, gehen aber manchmal am Thema der Haltung vorbei. So wirkt der Kundalini Lotus auf das 2. Chakra, aber nur wenige können den rechten Winkel im Kreuzbein aufrecht erhalten. Wenn man mit den Armen nachhilft, ist zwar der Winkel exakt, aber die Wirkung auf das 2. Chakra geht verloren.
- Um eine Übung durchzuhalten wird manchmal von den Übenden ein Winkel verändert oder Knie und Ellbogen gebeugt. Das Durchhalten der Übung hat eine wichtige Wirkungsfunktion, die im Zweifelsfall höher zu bewerten ist als wenn die Übung exakt aber dafür zu kurz gemacht wird.
Yogi Bhajan hat viele Übungen mit exakten Haltungen unterrichtet, aber den Schwerpunkt im Energiefluss der Übungsreihen – den sogenannten Kriyas – gesetzt. Die Übungen sollten - ohne zu viel Ablenkung durch einen perfekten Anspruch an die Haltung - aus den eigenen Bedürfnissen und Möglichkeiten heraus ausgeführt werden. Dadurch wird ein sehr individueller Bezug zu den einzelnen Haltungen möglich, der für eine tiefgehende psycho-somatische Wirkung nötig ist.
Die Synchronisation zwischen Nerven-, Energie(Prana)- und Körpersystem entwickelt sich in den einzelnen Übungen und durch die Kombination der einzelnen Übungen. Dafür ist ein Spannungsfeld nötig, dass sich nicht automatisch aus der Haltung heraus ergibt, sondern erst aus dem bewussten Bemühen, den Energiefluss im Körper zu harmonisieren. Die exakte Haltung ist dabei nur ein Ende der nötigen Polarität. Das andere Ende ist das Selbst, dass sich individuell zu den einzelnen Haltungen verhält. Dieses Ringen zwischen der eigenen Selbstwahrnehmung und dem Anspruch an die exakte Haltung benötigt Raum und Flexibilität, damit das Yoga seine Wirkung entfalten kann.
Die Yoga-Haltung impft einen Stressimpuls in die Wahrnehmung. Dieser Impuls ist so getaktet, dass er das Bewusstsein erhöht – das eigentliche Ziel des Yoga. Wenn es nur um die Haltung ginge, dann wäre Yoga eine Art Akrobatik. Es wird solange geübt, bis die perfekte Haltung erreicht ist. Beim Yoga ist die perfekte Haltung eher eine Fata Morgana. Sie treibt den Prozess an, ist aber nicht das eigentliche Ziel. Sie ist nur Mittel zum Zweck.