traschtam titbar kuschtam – wer mit leeren Händen kommt, wird mit leeren Händen gehen, so wurde es von Yogi Bhajan unterrichtet. Er selber hat die Geschichte erzählt, wie er Geld vor dem Eingang seines Yogaraums verstreut hat, damit seine ärmeren Schüler die Gelegenheit hatten, aus ihrer eigenen Entscheidung heraus für ihren Eintritt zu bezahlen – sie hätten das Geld auch nehmen und wieder gehen können. Der Hintergrund ist, dass es nötig ist, eine Hürde zu überwinden, um die heilsame Energie des Yoga empfangen zu können. Ohne diese Hürde kommt nichts bei dem Schüler an. Die Höhe der Hürde ist ein Indiz – aber kein Garant – für die Intensität des Unterrichts.
Manchmal ist es üblich, dass bedürftige Schüler die Möglichkeit haben, ihren Obolus z.B. mit Arbeitsleistung oder Tauschprodukten zu leisten. Es kommt also nicht auf das Geld an, sondern auf den Aufwand oder die dafür aufgebrachte Anstrengung.
Geld ist ein Medium oder Energieträger ohne eigenen Charakter, mit dem Mangel oder Überfluss erzeugt werden kann. Beide Erfahrungen sind für eine spirituelle Entwicklung wichtig. In der Natur gibt es den beständigen Wechsel zwischen Zeiten des Mangels und des Überflusses. Unsere Spezies war diesem Wechsel 500.000 Jahre lang ausgesetzt, es war Teil unseres Lebenszyklus. Heute leben wir in einer kapitalisierten Gesellschaft. Geld ist ein Machtmittel, dass bewusst knapp oder im Überfluss verteilt ist – je nach politischem Nutzen. Jeder einzelne muss sich in unserer Kapital-Struktur seinen Platz suchen, und die wichtige Frage lautet: gehöre ich zu den Verlierern oder den Gewinnern?
Das war nicht immer so. Archäologische Funde zeigen, dass in Europa zwischen 30.000 und 50.000 Jahren vor unserer Zeitrechnung matriarchale Gesellschaftsstrukturen vorherrschten, in denen Konkurrenz und Krieg offensichtlich keine Rolle spielten. In Indien entstand in dieser Zeit das Yoga, wie wir es heute kennen. Es wird als das Goldene Zeitalter bezeichnet.
In den Ausgrabungen, die mit moderner Technik zeitlich datiert werden können, gibt es in dieser Zeit keine Anzeichen auf Hierarchien zwischen Männern und Frauen oder gewaltsame Tötungen. Es gibt auch keine Funde von Waffen, außer für die Jagd nach Tieren. (Vergleiche: Gimbutas: Die Zivilisation der Göttin) Es ist davon auszugehen, dass die menschliche Zivilisation der damaligen Zeit Kooperation in einer Art praktizierte, die uns heute relativ unbekannt ist.
Dies änderte sich in den Jahren 5.000 bis 3.500 v. Chr. In Indien kommt es zu einem Jahrhunderte dauernden Krieg, der in den alten Schriften beschrieben wird. Die Invasoren erobern den Subkontinent und erschaffen ein Kastensystem, das in Teilen bis heute existiert.
In Europa tauchen ab diesem Zeitpunkt Kriegswaffen auf, die sich aus dem Osten langsam bis nach Westeuropa ausbreiten. Die Gräber verändern sich: Es gibt Massengräber mit gewaltsam zu Tode gekommenen Leichen. Und es gibt Fürstengräber einzelner Männer. Das Patriarchat ist geboren, und es dauert bis heute an.
In unserer heutige Gesellschaft ist Kooperation nur innerhalb eines begrenzten Rahmens normal – z.B. innerhalb einer Familie, Gruppe oder Firma. Nach außen herrscht Konkurrenz. Nationalstaaten konkurrieren miteinander. Konzerne konkurrieren miteinander. Menschen versuchen, zu den Gewinnern zu gehören – auf Kosten anderer.
YogalehrerInnen konkurrieren ebenfalls – aber die Zeiten ändern sich. Der Wandel hin zum Wassermann-Zeitalter könnte Impulse freisetzen, die eine Kultur der Kooperation wieder ermöglicht.
Im Kundalini Yoga gibt es Impulse für Kooperation
- Das „Gesetz des Ablieferns“ besagt, dass der Yogalehrer seinen Yogaschüler nicht begrenzen darf. Der Schüler darf nicht nur erfolgreicher sein als sein Lehrer (was immer wieder passiert), er wird sogar dazu ermuntert (Yogi Bhajan: „Ich will, dass ihr 10 Mal besser werdet als ich“). Mit rein betriebswirtschaftlichen Überlegungen ist diese Regel nur schwer vereinbar.
- Yogi Bhajan hat seine Yogalehrer darauf hingewiesen, dass sie sich nicht von ihren Yogaschülern abhängig mach dürfen. Sie sollten nicht auf die Einnahmen aus dem Yogaunterricht angewiesen sein. Zitat: "Du kannst Klar und Frei unterrichten und du hast das Recht, dafür eine Zuwendung zu erhalten, die dem Rahmen entspricht, in dem du unterrichtest. Diese Zuwendung sollte hoch genug sein, um dir die Möglichkeit zu geben, zu unterrichten. Worum es aber geht ist folgendes: dies ist eine Technologie für Haushälter. Wenn du selber nicht arbeitest und Geld verdienst, bist du immer verletzbar. Deine Schüler können dir den Teppich unter deinen Füßen wegziehen." Der Schluss liegt nahe, dass die Yogalehrer, die ausschließlich von Yogaunterricht leben, eher zu konkurrierenden Verhaltensweisen neigen als zur Kooperation.
- Kundalini Yoga kann nicht für den eigenen Vorteil missbraucht werden. Es ist kein Business, dass von der persönlichen Entwicklung der Lehrenden getrennt werden kann. Das System reinigt sich selbst, indem es mit dem Konzept der Hingabe an die Goldene Kette verbunden ist. Diese spirituelle Dimension des Yogas ist mit einer Geschäftsidee, die auf reine Gewinnabsichten zielt, unvereinbar.
- Die Sutren des Wassermann-Zeitalters weisen uns darauf hin, dass Kooperation wichtig ist. Diese geben uns Aufschluss über den möglichen Zeitenwechsel. „Erkenne, der andere bist du“, „Verstehe die Welt durch Mitgefühl“ oder auch auch „Vibriere mit dem Kosmos“: Diese Aphorismen deuten auf eine neue Phase der Kooperation hin, die alte Gegensätze und Konkurrenz überwinden kann.