Krise? Wann hörte die letzte auf, wann fängt die nächste an? Eine neue Gelassenheit macht sich breit.
Es ist kein rein deutsches Phänomen, auch andere Länder in Europa, z.B. Holland oder Finnland, gehen ruhigen Schrittes durch die Verwerfungen des gegenwärtigen Zeitgeistes. Aber Deutschland mit seiner zentralen geografischen und wirtschaftlich Position in Europa fällt besonders ins Auge. Was ist die Quelle für eine kollektiven Gelassenheit, die einen so großen Anteil daran hat, Märkte zu beruhigen und Krisen zu meistern.? Unaufgeregte Politiker wie Merkel oder Steinmeier haben sicherlich einen Anteil daran, aber sie sind als Volksvertreter wohl eher das Ergebnis und nicht die Ursache dieses Phänomens.
Relativ unbemerkt von der medialen Öffentlichkeit haben die meisten Deutschen ihr Bewusstsein erweitert. Dies findet seinen Ausdruck in der massenhaften Praxis von östlicher Meditations- und Körperarbeit. Yoga ist in Deutschland so populär geworden, wie in kaum einem anderen Land. Schätzungen gehen von fünf Millionen Deutschen aus, die Yoga praktizieren. Andere Quellen sprechen von bis zu acht Millionen. Das ist jeder zehnte. Da wird es Zeit, sich über die gesellschaftlichen Folgen Gedanken zu machen.
Je nach Art und Intensität der Praxis übt Yoga einen starken Einfluss auf die übende Person aus. Durch die Übungen wird die Wahrnehmung vertieft, die Sinne verfeinert und die Stimmung ausgewogener. Oftmals steigt das Selbstvertrauen und die Flexibilität. Yoga ist möglicherweise das Geheimrezept, das hinter den jüngsten wirtschaftlichen Erfolgen steckt, vielleicht als Ergänzung zu den sozialpolitischen Reformen. Die von den Unternehmen geforderte Flexibilität ist jedenfalls ohne Yoga oder andere Meditationstechniken ungleich schwerer.
Dabei profitieren auch diejenigen, die keinerlei Yoga-Praxis haben, über ihre sozialen Kontakte von denjenigen, die Yoga machen. Gelassenheit ist ansteckend. Diese Übertragung ist nicht dauerhaft, der Kontakt zu gelassenen Menschen ist regelmäßig nötig, um selber entspannt zu bleiben. Aber wenn erst mal eine kritische Masse an Yoga-Praktizierenden vorhanden ist, dann können sich Tendenzen bilden, die allgemeingültig werden.
So etwas scheint in Deutschland passiert zu sein. Jeder Mensch kreiert einen eigenen Blick auf die Welt, der einzigartig ist. Ob diese individuellen Facetten in einer gemeinsamen Realität wurzelt, ist ungewiss. Die Abgrenzung von anderen ist ein nötiger Entwicklungsschritt zur Selbstfindung. Aber ob diese Trennung wirklich real ist, wissen wir nicht. Es gibt viele Anzeichen dafür, dass sie es nicht ist.
Einheit ist erfahrbar. Der Bereich im Körper, in dem die Wahrnehmung von Verbindung und Einheit erzeugt wird, wird in den Schriften des Yoga benannt. Es ist die Zirbeldrüse, im sogenannten siebten Chakra oder zehntenTor am oberen Ende des Kopfes. Nach der yogischen Lehre wird die Zirbeldrüse bzw. die Hypophyse durch Meditation balanciert und öffnet dann das Bewusstsein für eine Erfahrung der Einheit. Eine vertikal von oben nach unten und von unten nach oben strömende Energie hält den Körper im Gleichgewicht. Grenzen und Beschränkungen lösen sich auf. Diese Erfahrung kann als kurzweiliger Zustand oder aber – z.B. mit kontinuierlicher Yoga-Praxis - als dauerhafte Wahrnehmung erfahren werden. Hier manifestiert sich die Wahrnehmung von Einheit. Wer in Yoga geübt ist, kann sie sich in fast allen Situationen bewahren.
Neben der oben beschriebenen vertikalen Ausrichtung gibt es auch eine horizontale Ausrichtung, die mental und körperlich erfahrbar ist. Diese horizontalen Einflüsse destabilisieren und erweitern das eigene Wahrnehmungssystem gleichermaßen. Sie erzeugen ein Wechselspiel von Trennung und Vereinigung, und lassen sich über ein System feinstofflicher Energiezentren im Körper (Chakren genannt) in unterschiedliche Aspekte aufteilen (hier stark vereinfacht): Sexuelle Vereinigung, Ich-Bewusstsein, emotionale Vereinigung, rationale Sortierung und intuitive Vereinigung.
Daraus ergeben sich unendlich viele Möglichkeiten und Facetten für Entscheidungen aller Art. Das Leben entblättert sich zu einem Meer aus Möglichkeiten.
In früheren Zeiten spielte sich dieses Wechselspiel der Kräfte nur mit einer begrenzten Anzahl von Personen in einem engeren örtlichen Umfeld ab. Mit dem Aufbruch der modernen Kommunikationstechnologie ändert sich das. Horizontale Einflüsse verstärken sich auf ein Maß, dass es für die meisten fast unmöglich ist, stabil zu bleiben. Die vernetzte Welt bricht in unser Bewusstsein ein, treibt uns vor sich her und zerrt an den eigenen Wurzeln. Bewusstseinstechnologien wie Yoga waren vorher nur einer Elite zugänglich. Heute scheinen sie zu einer Notwendigkeit geworden zu sein, um am öffentlichen Leben teilhaben zu können. Zugleich öffnet sich die Möglichkeit, nationale Traumas bearbeiten zu können. Dies ist möglich, wenn eine kritische Masse an Personen an gemeinsamen Öffnungsprozessen beteiligt ist, wenn das Thema des Traumas als Empfindung, mit Worten und mit Taten aus der Verschüttung geholt wird.
Der nationale Heilungsprozess dürfte untrennbar mit individuellen Heilungsprozessen verknüpft sein. Die kollektiv beschriebene Beschleunigung und Überforderung der heutigen Zeit bewirkt einen individuellen Stabilitätsverlust. Dieser Mangel wird durch die Vernetzung mit anderen ausgeglichen. Das geschieht automatisch, denn das „Informations-Zeitalter“ (Yogi Bhajan) erzeugt eine Vereinigung, auch wenn sich niemand einigen will. Diese Assimilierung ruft bei vielen große Widerstände hervor. Da der Prozess nicht kontrollierbar ist, ruft er innere, unbewusste Blockaden hervor, die sich in schweren körperlichen Krankheiten ausdrücken können – diese Art von Krankheiten werden Autoimmun-Krankheiten genannt. Der Körper kämpft gegen sich selbst.